Reiseberichte & FotosDie wichtigen Dinge - Durch Bayern zurück nach Österreich. 15.10.2010 Erstaunlich... - Von Italien über die Alpen. 25.08.2010 Die Uhren ticken anders - Quer durch Marokko. 21.06.2010 Das Tor zur neuen Welt - Die Kanarischen Inseln. 30.03.2010 Die Menschen sind der Weg - Am Jakobsweg II. 24.01.2010 Von Geistlichen und Gottlosen, von Gauklern und Geisterdörfern - Am Jakobsweg I. 02.11.2009 Der Mut zur Umkehr - Von Lyon nach Le Puy. 20.07.2009 Momente der Verbundenheit - Durch die Schweiz nach Frankreich. 29.11.2008 Der Reichtum des einfachen Lebens - Tirol, Vorarlberg und Schweiz. 11.10.2008 |
Die Menschen sind der Weg - Am Jakobsweg IIVerfasst in Las Palmas, am 24.01.2010 Am spanischen Jakobsweg bis Santiago und Finisterre Es ist Mitternacht und ich kann nicht schlafen. Die Luft ist warm und stickig im Matratzenlager. Ein bisschen Erfrischung tut mir vielleicht gut und ich setze mich in den kühlen Gang. Ich blättere in meinem Notizbuch. Irgendwie bin ich aufgeregt. Nur noch 23 Kilometer bis Santiago, was für ein komisches Gefühl! Nach der 40km-Etappe heute hat mich gegen Abend ein Wolkenbruch eilig in die Herberge von Santa Irene getrieben. Die Besucherliste verrät, dass die Mädels aus Quebec gestern hier gewesen sind. Audree, Maude und Jacinthe! Ich würde sie also in Santiago treffen. Und wahrscheinlich auch all die anderen. Welch eine Freude! Viele besondere Menschen sind mir in den letzten Wochen auf meiner Wanderung am Jakobsweg ans Herz gewachsen. In Ponferrada hatte Bryan, einer der freiwilligen Herbergsbetreuer, gesagt: „Wisst ihr, der Camino, das ist nicht der Weg. Der eigentliche Camino, das sind die Menschen, die auf ihm unterwegs sind.“ Es stimmt. Darum erzähle ich Euch dieses Mal von diesen Menschen: was wir gemeinsam am Weg nach Santiago und Finisterre erlebten, was ich von ihnen lernte und was mich dabei glücklich machte. Glück ist ja mein zentrales Thema unterwegs gewesen. Ich habe jede Menge gelesen und zahlreiche Leute nach ihrer Glücksdefinition gefragt. Aber wie ihr wisst, kommt wahre Einsicht nicht aus Büchern. Denn Worte helfen vielleicht, etwas zu verstehen, aber nur Erfahrung lässt einen wissen. Nun, die einprägsamen Begegnungen ließen mich in den vergangenen Wochen ein ausgesprochenes Glück erfahren. Aber lasst mich von vorne beginnen. Ich traf die kanadischen Mädels das erste Mal in St. Jean Pied-de-Port. Fröhlichkeit aus Quebec Die reizende Audree ist 25 und kommt aus Montreal. Sie hat sich zwei Monate für den Weg freigeschaufelt und ist nun bereits bei der Halbzeit angelangt. Der Abend mit ihr ist Spitze. Es gibt einfach nichts Besseres als ein feines Essen in charmanter Begleitung, oder? Im Garten hinterm Haus packe ich meine Camping-Küche aus und wir bereiten uns das Festmahl zu: exquisite Bio-Pasta mit einer Flasche „Bourgogne“. Würdig feiern wir unseren letzten Tag in Frankreich und trinken auf das Leben, das Abenteuer und den Weg. Ich bin wieder voll motiviert. „Auf einer Glücksskala von 1 bis 10 würde ich heute 9,75 ankreuzen“, sage ich grinsend zu Audree und bedanke mich für den wunderbaren Abend. Bellen auf Französisch Nach dem spanischen Auftakt in Roncesvalles verloren wir uns bald aus den Augen. Ich machte ein paar größere Etappen, um zur rechten Zeit einen Freund in Logroño zu besuchen. Das Publikum am spanischen Weg entpuppte sich als jünger und internationaler als am französischen. Auch Mitte Oktober wanderten noch viele, aber immer, wenn ich einmal auf das Zelt verzichtete, gab es in den Herbergen Platz. Zwei Tage nach der Pause in der sympathischen Stadt Logroño durfte ich wieder einen dieser besonderen Tage erleben, wo einfach alles passt. Ein Glas auf La Rioja Als ich am selben Abend in Belorado wieder auf Audree, Maude und Jacinthe treffe, ist mein Stimmungsbarometer „auf Anschlag“. In der Bar feiern wir gemeinsam mit Loli und Pablo aus Madrid. Pablo will uns mit der einheimischen Destillierkunst vertraut machen und bestellt ein Tablett voller verschiedener „Chupitos“. Wir lassen es rotieren, und jeder probiert von jedem Schnaps, während wir mit großer Lautstärke ein paar spanische Lieder und Trinksprüche üben. Que viva España! Por ellas, por las más bellas! (Auf sie, die Schönsten! Eine außergewöhnliche Zusammenkunft in Burgos Fast alle, die da waren, wurden auf meinem weiteren Weg zu inspirierenden Begleitern und Freunden: Philipp aus Wien, Ansgar und Jasmin aus Deutschland, die Franzosen Blanche und Christoph, der Pole Wojtek, Colette aus England, und natürlich Jacinthe, Maude und Audree. Wir verbrachten einen stimmungsvollen Abend, an dem ich in den Gesprächen eine unglaublich positive Energie spürte. Einfach magisch. Nur Oliver aus Bremen trafen wir hier das einzige Mal, denn er ging bereits wieder retour nach Hause. Volle fünf Monate war er schon unterwegs: ohne Geld! Wie das gehe? „Ja, bestens“, sagte er und lachte schallend. Ich lasse es Euch wissen, sobald sein Buch über seine außergewöhnlichen Erlebnisse erscheint. Auch Ralf aus Bielefeld und den Neuseeländer Tom lernte ich hier kennen. Mit ihnen wanderte ich durch die ganze Meseta bis nach León. Manchmal passt es einfach. Wir verstanden uns prächtig und diskutierten einmal über sehr persönliche Dinge, ein andermal blödelten wir wieder über alles was uns in den Sinn kam. Manchmal kümmerten wir uns heiter um die Wegerhaltung, indem wir abwechselnd umgefallene Markiersteine aufsetzten, am Weg liegende Äste oder Steine wegräumten oder einfach nur Plastikmüll einsammelten. Mit Danijar zurück in die Zukunft Einer von ihnen war ein junger Schweizer mit dem ausgefallenen Namen Danijar. Ein mutiger Bursche mit einem Abenteuerherz so groß wie sein gekrempelter Hut mit Federn. Diesen hatte er sich stilgerecht beim Mittelalterfest in Le Puy zugelegt. Hut und Stock regten die Fantasie vieler Leute am Weg an, die meinten, Danijar gleiche Peter Pan, Orlando Bloom, Robin Hood oder D´Artagnon. Warum in Melide ein alter Mann einmal der Ansicht war, er sehe aus wie der Papst, weiß ich nicht. :-) Danijar war noch 17 gewesen, als er drei Monate zuvor allein mit dem Zelt von seiner Heimat am Bodensee aufgebrochen war. Respekt! Unsere Wege kreuzten sich in Ponferrada und wieder passte es einfach, denn wir sollten es gemeinsam bis nach Santiago schaffen. Es regnet viel im November in Galizien. Und so wetteten wir des öfteren um ein Bier, ob nicht vielleicht doch einmal im Laufe des Tages die Sonne herauskommen würde. Ausbezahlt wurde am Abend, wenn wir uns, wie fast an jedem Tag, Kastanien zubereiteten, die wir unterwegs aufgesammelt hatten. Übrigens packte ich das Zelt in Galizien nie aus, das war mir schon beim ersten verschneiten Pass vergangen. Am Ziel eines weiten Weges Am nächsten Tag ist es so weit. Es ist unglaublich. Santiago. Tja, selbst nach Tausenden von Kilometern kommst du einfach einmal an. Unfassbar. Noch etwas ungläubig stehen wir vor der Kathedrale. Nach und nach treffen viele alte Bekannte ein. Wir umarmen und gratulieren uns herzlich, ganz egal, wie oft wir uns am Weg gesehen haben. Es kommt von ganzem Herzen. Und wer sitzt oben auf den Stufen vorm Eingang? Maude! Eilig kommt sie heruntergerannt und wir springen vor Freude. Auch Tom, Philipp und Jacinthe sind hier. Es ist ein Fest! Ich hole Brot und Wein (“Con pan y vino se hace el camino”) und wir genießen die besonderen Stunden auf der “Plaza”. Am Abend feiern wir in einer Tapas-Bar ausgelassen weiter. Das war also Santiago. Ich hatte einen weiten Weg hierher zurückgelegt, mit großen Erwartungen. Nun, die Pilgermesse am Tag nach der Ankunft überzeugt mich nicht. Zu groß sind der Andrang und die daraus entstehende Unruhe in der Kirche. Auch ich selbst bin noch nicht wirklich zur Ruhe gekommen, aber ich bin zufrieden. Mehr als zufrieden. Denn was zählt, ist der Weg. Und dieser war gut gewesen, wir waren würdige PilgerInnen gewesen. Das Ende der Welt Nun, ihr wisst ja, je härter man die Prüfungen vor den Latz geknallt bekommt, desto reicher wird man dafür belohnt. Uns so geschieht am dritten Tage das Wunder: die Sonne kommt schon am Vormittag raus und bleibt volle drei Tage! Ich nehme mir die Zeit, die letzten 25km bis Finisterre allein zu gehen. Zuerst sehe ich nur einen Strich, aber es kommt immer näher. Und kurz vor Cee leuchtet es auf einmal wunderbar vor mir auf in der Bucht im Süden: das Meer! Ergriffen setze ich mich auf eine Steinmauer und ich genieße das Panorama. Dann packt mich eine reißende Welle der Euphorie und trägt mich vorwärts. Es ist unbeschreiblich, was ich bei der Ankunft beim Leuchtturm am westlichsten Ende Europas fühle. Mein Herz jubelt vor Freude und Begeisterung und ein Wasserfall an Energie und Inspiration strömt auf mich ein. Dieses Hochgefühl sprengt meine bisherige Glücksskala. Alles ist perfekt und stimmig. Die Sonne wärmt angenehm und sämtliche gute Freunde vom Weg sind hier. Nach Tradition verbrennen wir symbolisch einige Dinge zum Abschluss des Wegs, nehmen ein Bad im Meer und genießen den Sonnenuntergang am Strand. Es ist wie in einem Traum. Gefundenes Glück Glück ist, wenn es mir gelingt, meine Liebe, die ich für die anderen Menschen und die Schönheit der Natur empfinde, zu teilen (zu geben und zu nehmen). Ja, das ist es, was ich unterwegs gelernt habe. Es ist mir klar geworden, als ich darüber nachdachte, warum ich und viele andere Maude so liebenswürdig finden. Es ist einfach ihre ehrliche Offenheit, die mich inspirierte: Freudensprünge, immer wenn wir uns trafen und echte Trauer, wenn wir uns wieder einmal für unbestimmte Zeit verabschiedeten. Auch ich habe die Erfahrung gemacht: Ich bin umso erfüllter und glücklicher gewesen, je offener und ehrlicher ich anderen begegnet bin. Ich werde diese Offenheit beibehalten und weiterhin versuchen, meiner Verbundenheit zur Erde und zu den Menschen Ausdruck zu verleihen. Erst unlängst las ich einen Rat des Dalai Lama: “Wenn Sie Mitgefühl und liebende Güte pflegen, öffnet sich automatisch Ihre innere Tür. Dadurch können Sie viel leichter mit anderen Leuten kommunizieren. Und das Gefühl der Wärme schafft eine Art Offenheit. Sie werden feststellen, dass alle menschlichen Wesen genauso sind wie Sie, so werden Sie fähig sein, sich mit ihnen auf einfache Weise zu verbinden.” Mit diesen Worten schließe ich diesen Bericht. Ich bin äußerst dankbar für die intensive Zeit, die ich gemeinsam mit vielen anderen erleben durfte. Uns allen am Weg hat es gut getan, uns auf uns einzulassen. Denn nur wenn jeder seinen eigenen Teil der Verantwortung für das Ganze erkennt, wird der Weg zu dem was er sein kann: eine unvergessliche Erfahrung. Bryan hat Recht behalten: Nicht der Weg ist der Weg. Die Menschen sind der Weg. Euer Reinhold. AnhangGlück ist, das Leben das wir haben zu schätzen wissen und nicht immer mehr zu wollen. Denn es ist das erste und letzte Mal, daß wir diese Gelegenheit haben. Glück ist überall, unendlich, undefiniert. Es liegt nirgendwo anders als in der individuellen Wahrnehmung, wie es sich repräsentiert. Für mich sind es die Augen eines Kindes, der unschuldige Blick. Glück ist ein gegenwärtiger Zustand, zu dem man durch die Summe von vielen kleinen Momenten gelangt, die wir im Leben erfahren. Wir müssen das Leben nützen und geniessen, denn es ist wie ein Zug. Wenn er abgefahren ist, kommt er nicht zurück. Dann musst du auf den nächsten warten. Das Glück wartet nicht auf dich, es läuft dir entgegen. Simply put it is a way of looking at things around you, an attitude to see the good in everything, an understanding of seeing light and positivity in struggle or despair. A feeling of forefullment, to connect with something or someone to coexist even just for a small time in harmony, in a dance or a rhythm. To see things as they are and to express them as you see them. Glück ist, wenn einen jemand unerwartet anlächelt. Danijar Einige Impressionen |
|||||