Reiseberichte & FotosDie wichtigen Dinge - Durch Bayern zurück nach Österreich. 15.10.2010 Erstaunlich... - Von Italien über die Alpen. 25.08.2010 Die Uhren ticken anders - Quer durch Marokko. 21.06.2010 Das Tor zur neuen Welt - Die Kanarischen Inseln. 30.03.2010 Die Menschen sind der Weg - Am Jakobsweg II. 24.01.2010 Von Geistlichen und Gottlosen, von Gauklern und Geisterdörfern - Am Jakobsweg I. 02.11.2009 Der Mut zur Umkehr - Von Lyon nach Le Puy. 20.07.2009 Momente der Verbundenheit - Durch die Schweiz nach Frankreich. 29.11.2008 Der Reichtum des einfachen Lebens - Tirol, Vorarlberg und Schweiz. 11.10.2008 |
Das Tor zur neuen Welt - Die Kanarischen InselnVerfasst in Arrecife, Lanzarote, am 30.03.2010 700km über Gran Canaria, Teneriffa, La Palma und Lanzarote Träume, Visionen und Hoffnungen sind notwendige erste Schritte auf dem Wege, um die Zukunft selbst gestalten zu können. Hans-Peter Dürr Als ich im vergangenen November auf die Kanarischen Inseln kam, hätte ich beim besten Willen nicht geglaubt, dass aus meiner vermeintlichen Zwischenstation ein längerer Inselentdeckungsaufenthalt werden würde. Ich war ursprünglich gekommen, um rasch ein Segelboot zu finden, das mich mit über den Atlantik nehmen könnte. Stattdessen entdeckte ich ein wahres Wanderparadies in einer verblüffend vielfältigen Umgebung, denn obwohl die Kanaren einen gemeinsamen vulkanischen Ursprung haben, unterscheiden sie sie sich in Landschaft, Klima und Vegetation erstaunlich. Jetzt, vier Monate später, darf ich auf eine bewegende Zeit zurückblicken, die mich zum intensiven Nachdenken über meinen Weg zwang und in der ich einige wichtige Entscheidungen zu treffen hatte. Bei den Wanderungen über Gran Canaria, Teneriffa, La Palma und Lanzarote traf ich einige sehr interessante Menschen, die mich dazu inspirierten, meinen Weg mit Gelassenheit fortzusetzen. Im Folgenden berichte ich Euch von diesen Begegnungen. Der Wanderalltag soll diesmal in den Hintergrund rücken. Das liegt daran, dass ich bei meiner längeren "Büro"-Pause in Las Palmas zwei Artikel über die Inselwanderungen verfasst habe, die in den nächsten Monaten in zwei Zeitschriften publiziert werden. Zumal ich euch natürlich wissen lassen werde, wann und wo die beiden Essays erscheinen werden, will ich hier nicht nochmal die gleichen Geschichten erzählen, sondern euch, exklusiv, von den Menschen berichten, die mir begegnet sind. Auf Segelbootsuche In der „Sailors Bar“, die im Sporthafen eine Monopolstellung genießt, treiben sich neben den Seglern auch etliche Abenteurer herum, die aus ganz Europa zusammengekommen sind, um sich als Anhalter über den Atlantik zu versuchen. Manche wie der sympathische Katalane Jordi suchen schon seit Wochen ein Boot. Andere haben Glück und finden innerhalb weniger Tage eine Mitfahrgelegenheit. Es ist eine Frage des richtigen Moments. Die Fragerei ist mühsam, denn bei einer Runde über die Piere treffe ich nur selten auf Segler, die gerade an Board sind. So richtig wohl fühle ich mich nicht in der Rolle als des Bittsteller, vor allem weil ich keine Segelerfahrung anbieten kann. Aber den anderen Suchenden geht es genau so, und wenn uns an einem heißen anstrengenden Tag wieder einmal die Motivation verlässt, heitern wir uns gegenseitig auf. Sei es mit gutem Zureden oder mit frischen Croissants aus der Bäckerei. 77 Länder in 7 Jahren Schwierige Fragen Nach sechs Tagen bin ich zurück in Las Palmas und versuche nochmals mein Glück, aber von Tag zu Tag fühle ich mich, aufgrund des fehlenden Erfolges, deprimierter. Die Sache „flutscht“ irgendwie nicht richtig, und nun kommt zu meinen „guten“ Argumenten (keine Segelerfahrung, nicht seetauglich) auch noch ein leichter Zweifel auf, ob ich überhaupt so weit reisen will. Was will ich eigentlich? Soll ich wirklich nach Südamerika reisen? Eine weite Reise für einen, der keine Flugzeuge mehr benutzen will. Oder doch lieber in Europa bleiben? Habe ich denn die Wahl? Schwierige Fragen! Müde von der Suche besinne ich mich wieder aufs Wandern und nehme die Fähre nach Teneriffa. Ein perfekter Tag Die Bar ist genauso wie eine Bar sein sollte: ein Haufen junger, offener Leute, die sich am Sonntag Nachmittag zum Entspannen, gemütlichen Plaudern und Musizieren treffen. Es gibt hausgemachte Tapas, eine mitreißende Trommelsession und eine gemütliche Terrasse, von der man den Sonnenuntergang hinter La Palma beobachten kann. Ein perfekter Abend nach einem perfekten Tag. Es ist wieder einmal alles im „Fluss“. Den ersten, den ich kennen lerne, ist Robbi, der in "Icod de los Vinos" ein Haus von seinem Vater geerbt hat. Er erzählt mir von seiner "Finca alternativa", auf der er mit seiner Frau Nia seinen Lebenstraum verwirklicht: ökologisch Leben und den Spirit weitergeben. Die Sache klingt spannend, und so besuche ich die beiden zwei Tage später. Zu Besuch bei Robbi und Nia Zurück in Las Palmas Temaskal Am Abend ist es soweit: Temaskal. Es handelt sich dabei um ein altes Reinigungsritual aus Mexiko, das seine Ursprünge in der Mayakultur hat und das auch heute noch verbreitet ist. Die zwei Mexikaner Levi und Jorge, die ich in der Woche zuvor kennen gelernt habe, haben bereits alle Vorbereitungen getroffen. Nach traditioneller Vorschrift haben sie im Garten aus Planen und Decken ein kuppelförmiges Zelt mit vier Meter Durchmesser errichtet, getragen von einem Gerüst aus zusammengebundenen Ästen. Wie in der Sauna begibt man sich in das Zelt, in das über dem Feuer erhitzte Steine gebracht werden. "Diese Schwitzhütten gibt es in vielen alten Kulturen, sie gelten als die ersten Krankenhäuser der Welt", erklärt mir Jorge. "Es ist eine Mischung aus körperlicher und geistiger Reinigung. Es geht darum, die oft vergessene Verbundenheit des Menschen mit der Erde zu erneuern und der Natur für ihre reichhaltigen Geschenke zu danken." Es ginge hier zu weit, den gesamten symbolischen Reichtum des Temaskals zu beschreiben. Jedenfalls verbringen wir zu acht mehr als drei Stunden in dem Zelt, in das Levi insgesamt vier Mal rotglühende Steine bringt. Hitze und Dampf bringen uns ordentlich zum Schwitzen, zwischendurch kühlen wir unsere Haut mit Aloe Vera-Blättern. Mit Trommelbegleitung singen wir gemeinsam alte Lieder in der indianischen Sprache Nahuatl, die dem Ritual eine ganz besondere Magie verleihen. Jeder darf das Wort ergreifen, wenn ihm etwas in den Sinn kommt, wofür er persönlich seine Dankbarkeit ausdrücken möchte. Nach der intensiven Zeremonie bin ich erschöpft, aber ich genieße das Gefühl der inneren Ruhe und lockeren Entspannung, während wir uns unter dem Vollmondhimmel erholen. Es hat gewirkt, ich fühle mich völlig im Gleichgewicht mit der Welt. Bald falle ich müde ins Bett. Überraschendes Lanzarote Glücksinsel Schon beim zweiten Boot lerne ich Brice kennen, einen Franzosen so alt wie ich, der mit seiner Frau Alice und seinen zwei kleinen Kindern auf dem Wasser lebt. "Ja, wir haben vor, nach Marokko zu segeln", meint er, "grundsätzlich spricht nichts dagegen, dass wir dich mitnehmen, aber ich möchte vorher mit Alice reden". Ungeduldig kehre ich am Abend zum Boot zurück. "Alles klar", sagt Brice, "wir fahren in 8 Tagen!" Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, wie sehr ich mich über diese Mitfahrgelegenheit freue. Die folgenden zwei Tage helfe ich Brice, eine neue "Kombüse" zu tischlern. Eine gute Gelegenheit, um uns besser kennen zu lernen. Alice und Brice sind letztes Jahr aufs Boot gezogen. "Wir möchten unsere Kinder aufwachsen sehen und sie selbst unterrichten", erklärt mir Alice. "Ohne fixe Arbeit bedeutet das zwar mit dem Geld aus gelegentlichen Jobs auskommen zu müssen, aber unsere Lebensqualität als Familie ist enorm gestiegen." Brices Gelassenheit beeindruckt mich. Tag für Tag werkt er mit eigenen Händen an der Restaurierung des Boots. Es dauert so lange es dauert. Das Küchenregal, an dem wir arbeiten, stammt von einem anderen Boot. Es ist ein Haufen Arbeit, bis es umgebaut und in die verwinkelte Küche eingepasst ist. "Ein neues Regal wäre zu teuer", meint Brice, "und außerdem ist die Freude über das fertige Regal viel größer, wenn man es selbst macht". Ja, am Abend bin ich stolz auf unsere geleistete Arbeit. Es hat Spaß gemacht. Ein Sprung ins Ungewisse "Träume, Visionen, Hoffnungen sind nicht nur Gebilde, mit denen wir versuchen, einem mühseligen, eintönigen und bedrückenden Alltag zu entfliehen und uns gedanklich und emotional in eine für uns bessere Welt zu versetzen", schreibt der Münchner Quantenphysiker und Träger des alternativen Nobelpreises Hans-Peter Dürr. "Nein! Träume, Visionen und Hoffnungen sind notwendige erste Schritte auf dem Wege, um die Zukunft selbst gestalten zu können. Und wir können viel mehr machen und verändern, als wir gemeinhin denken." Die Quantenphysik hat gezeigt, dass das mechanistische Weltbild überholt ist und dass die Grundlage der Welt nicht materiell, sondern zu allererst aus Zusammenhängen besteht, die eher auf eine "geistige" Funktionsweise der Welt schließen lassen. "Die Wirklichkeit ist keine starre Realität, sie ist voller Möglichkeiten - und sie ist in uns. Sie kann von uns geändert und neu gestaltet werden." Ich bin davon überzeugt: Wenn wir unsere selbst gesetzten Grenzen des Denkens abstreifen, ist schon viel erreicht. So wie Roland, der fest an die Möglichkeit eines Weltfriedens glaubt und mit seiner Reise versucht die Zweifel anderer auszuräumen. Oder so wie Kolumbus, der fest an die Möglichkeit eines Seewegs nach Westen glaubte, und furchtlos von den Kanarischen Inseln in eine neue unbekannte Welt segelte. Es steht uns allen offen, heute und jederzeit: Das Tor zur neuen Welt. Euer Reinhold. PS: Wer mehr über das quantenphysikalische Weltbild wissen möchte, und vor allem über seine gesellschaftspolitischen Implikationen, dem empfehle ich Hans-Peter Dürrs Buch " Warum es ums Ganze geht: Neues Denken für eine Welt im Umbruch". Einige Impressionen |
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